Beginn einer Zeitreise

Des Busses kurz vor der Abfahrt

Abfahrt am Bremer ZOB

Gründonnerstag! Am Zentralen Busbahnhof in der Nähe des Hauptbahnhofes besteige ich pünktlich um 7.30 Uhr den aus Wiefelstede bei Oldenburg kommenden Bus, der schon Gäste aus dem Oldenburgischen mitbringt. Dann beginnt endlich die Fahrt in meine Vergangenheit. Im Januar 1945, in umgekehrter Richtung, dauerte sie über eine Woche. In einem eisigen Winter, per Bahn, zu Fuß, mit Landomnibussen und mit den Bauern im Treck auf einem Ackerwagen und nicht zu vergessen, streckenweise mit hungrigem Magen und ständig übermüdet. Heute benötigen wir in der warmen Aprilsonne wahrscheinlich nur Stunden in bequemen Sitzen und Zwischenstopps für das leibliche Wohl.

In Hamburg-Stillhorn legen wir eine Rast ein. Dort gesellt sich ein junges Mädchen zu uns, ihre Tante wartet bereits im Bus, sie will ihrer Nichte ihre Geburtsstadt Breslau zeigen, dann geht die Reise weiter in Richtung Berliner Ring. Ich setze mich auf den freien Sitz des Reisebegleiters, der erst in Breslau zu uns stoßen wird und ergreife das Mikrofon. Ich möchte meine Mitreisenden etwas auf Breslau einstimmen. Nachdem ich mich den Businsassen kurz vorgestellt habe, erläutere ich, was ich in meiner Geburtsstadt zu finden erwarte und welche Dinge meines Kindseins an der Oder noch in meiner Erinnerung präsent sind.

Der einsetzende Beifall zeigt mir, dass mein Engagement mit Erfolg gekrönt ist. Die Runde wird lockerer. Alle Reisenden fahren diese Tour zum ersten Mal. Fast die Hälfte sind Schlesier aus Breslau und Umgebung, die auf Erinnerungssuche sind wie ich und ihren Partnern bzw. Partnerinnen zeigen wollen, woher sie stammen. Auch ein paar Reiselustige ohne persönliche Bezüge zu Schlesien sind unter uns, die einfach nur einmal Breslau und die schlesische Landschaft kennen lernen wollen. Inzwischen haben wir festgestellt, Rainer, unser Fahrer, ist ein prima Kerl, er versucht, uns die Fahrt so angenehm und informativ wie möglich zu machen.

Mittlerweile nähern wir uns dem Berliner Autobahnring. An der Raststätte Lienumer Bruch steigt noch ein Gast zu, dann geht es weiter in Richtung polnische Grenze. Die Autobahn wird hier noch ausgebaut. Baustellen führen zu dichterem Verkehr, wir bleiben aber von Staus verschont. Um 15.10 Uhr haben wir den Grenzübergang Forst erreicht. Auf der Busspur vor uns stehen bereits zwei andere Busse und warten auf ihre Abfertigung. Es dauert. Nur zäh geht die Grenzabfertigung durch polnische Beamte vonstatten. Innerhalb der EU werden solche Praktiken zu Ärger führen, die Kommission in Brüssel achtet auf einen schnellen Transit innerhalb der europäischen Grenzen. Im Augenblick werden alle Pässe noch sehr genau kontrolliert und durch den Scanner zur elektronischen Prüfung gezogen. Dann darf ein Bus weiterfahren. Ein Beamter öffnet umständlich ein Vorhängeschloss, zieht zwei Absperrgitter auf und lässt den Bus passieren. Dann dasselbe retour. Die beiden provisorischen Torhälften werden mühsam zurückgeschoben, das Vorhängeschloss mitsamt Kette wieder angebracht. Dann derselbe Vorgang beim nächsten Bus, bis schließlich wir an der Reihe sind. Die gesamte Prozedur dauerte etwa 75 Minuten. Eine reife Leistung.