Schlesien, Du hast mich wieder!

Autobahnleitschild nach Wrocław

Abfahrt nach Hirschberg, aber wir fahren weiter nach Breslau.

Egal, wir sind durch und damit in Niederschlesien. Polen begrüßt uns mit einem Bandscheibentest. Die Betonplatten der Fernstraße in Richtung Breslau stammen noch aus dem dritten Reich und die Schlaglöcher erinnern uns Meter für Meter an diese Tatsache. Das kann auch eine technisch ausgereifte Federung nicht absorbieren. Jetzt bewährt sich die 23jährige Erfahrung unseres Busfahrers mit Landstraßen und Autobahnen in ganz Europa. Er umfährt mit stark verminderter Geschwindigkeit die meisten Schlaglöcher, wechselt laufend die Spur, um die am besten erhaltenen Teile der Trasse zu erwischen. Leider gelingt ihm das nicht immer, ab und zu knallen wir voll in eines der tiefen Schlaglöcher.

Wir konzentrieren uns wieder auf unsere Umgebung. Alle paar hundert Meter steht ein Verkaufstand mit Gartenzwergen am Straßenrand, Hunderte von Gartenzwergen. Alle Sorten Gartenzwerge, kohlenschwarze Zwerge mit Helm, Grubenlampe und Bergwerksloren stehen vor dem uns viele Kilometer begleitenden beidseitigem Nadelwald. Damit könnte man halb Europa dekorieren, wer soll das alles kaufen. Dann stehen andere 'Figuren' am Straßenrand in der wärmenden Sonne, wie unser Fahrer informiert, auch im eisigen Winter. Sie gehören zum leichten Gewerbe. Allerdings hält sich ihre Anzahl in Grenzen. Bei unserem Besuch in der Tschechei sahen wir deutlich mehr von ihnen.

Unser Weg führt an Liegnitz vorbei, dessen Türme wir in der Ferne erkennen können. So langsam bekommen wir das Gefühl, uns in Schlesien zu befinden. Dann fahren wir auf einer neuen, stoßfreien Asphalttrasse, wir mögen es fast nicht glauben. Links von uns wird die alte Trasse entfernt und ebenfalls neu ausgebaut. Eine Autobahn entsteht. Weiter geht es, mal auf alten, dann wieder auf neuen Teilen der Strecke. Dann kommt der erste Stau. Weit vor uns steht eine Betonpumpe und füllt frischen Beton in eine neue Brückenkonstruktion. Für die anliefernden Betonmischer muss Platz geschaffen werden, also heißt es warten. Endlich geht es stückweise weiter. Die Sonne nähert sich dem westlichen Horizont. Die Hoffnung auf Fotos einer abendlich in der Ferne auftauchenden Silhouette Breslaus schwindet langsam.

Gegen 20.10 Uhr, draußen sind es immer noch über 20 Grad Celsius, lesen wir endlich rechts am Straßenrand auf dem Ortsschild am Stadtrand: WROCŁAW. Weitere Schilder rufen uns ihre Botschaften zu: OBI, Novitel, Mercedes, Plus, Ikea und jeweils ein paar Ecken weiter der Drogeriemarkt Rossmann. Da war schon jemand vor uns da! Die westlichen Konsumtempel haben sich bereits breit gemacht und ihre Priester predigen auch hier das Lied von der totalen Wegwerfgesellschaft. Schade, ich hätte dem polnischen Volk die Chance eines eigenen Weges in eine neue Ökonomie nach der kommunistischen Ära gewünscht.

Unsere Heimatgefühle rücken etwas in den Hintergrund. Dann erreichen wir endlich müde und erschöpft das 4-Sterne Orbis-Hotel Wrocław. Außer einer Menge Plattenbauten haben wir nichts von Wrocław gesehen. Wir beziehen unsere Zimmer im 9. Stockwerk. Danach begrüßt uns unser gut deutsch sprechender Reiseführer Bruno Wolanski. Nach dem Abendessen ist es zu spät für irgendwelche Exkursionen. Was soll es, Morgen ist auch noch ein Tag.

Karfreitag! Meine Erwartung steigt auf ein Höchstmaß. Nach einem hervorragenden Frühstück stürme ich zur Rezeption. „Darf ich auf dem Hoteldach ein paar Fotos machen?” Ich darf! Die freundliche junge Dame hinter dem Tresen ruft den Hausmeister. Schon geht es mit dem schnellen Lift in die elfte Etage. Dann eine Leiter hoch, durch eine enge Luke und ich stehe auf dem Dach des Hotels.