Da steht noch ein Haus

Wir sind noch nicht am Ende meiner Spurensuche angelangt. Die Fahrt führt uns wieder stadteinwärts. Wir passieren den Freiburger Bahnhof, der heute als Museum und Geschäftszentrum dient. Erneut fahren wir am Hauptbahnhof vorbei, dessen Baustil die polnische Jugend als kitschig empfindet. Na ja, etwas schlichtere Formen würden auch mir mehr zusagen. Der Fahrer macht uns auf das Hotel 'Vier Jahreszeiten' aufmerksam, 'Polana' prangt jetzt über dem Eingangsportal. Dann erreichen wir den Stadtgraben. Hier bin ich zur Welt gekommen, im 'Allerheiligen Krankenhaus', wie ich dem Fahrer sage. Er zeigt es mir, aber das ist nicht das Krankenhaus meiner Geburt, protestiere ich. Er zeigt ein Stück weiter den Stadtgraben entlang, wo sich ein weiteres Krankenhaus befindet, das Elisabeth Krankenhaus. Das ist ja mein Geburtskrankenhaus! Wieder musste ich eine falsche Erinnerung korrigieren.

Wir kommen in die Nähe der Oder. Ich erkenne die Kaiserbrücke mit ihren mächtigen Steinportalen an beiden Enden. Sie ist eine der ersten Hängebrücken weltweit. Allerdings werden hier keine Seile als tragende Elemente verwendet, sondern vernietete Flachstähle und Winkelstähle. Dann kommen wir zur Brüderstraße.

Dort hat meine Mutter Ende 1943 im Haus Nummer 20 eine eigene Wohnung zugeteilt bekommen. Meine geschiedene und allein stehende Mutter war als Uniformschneiderin tätig und musste viel Überstunden ableisten, daher wurde ich bei meinen Verwandten an der Bolkenhainer Straße aufgezogen. Jetzt konnten wir endlich zusammen ziehen. Bislang sahen wir uns nur an manchen Wochenenden. Mitten im Winter in eisiger Kälte fand der Umzug in unser neues Domizil statt.

In den Tagen danach machte ich mich auf, die neue Umgebung zu entdecken. Von der Brüderstrasse kam ich auf die Klosterstrasse und sah auf dem Stadtgraben die Schlittschuhläufer. Ruhig zogen sie ihre Kreise oder drehten Pirouetten. Da gab es kein Halten mehr. Ich stürmte zurück nach Haus, schnallte mir meine Schlittschuhe unter und stolperte die Treppe hinunter. Dann ging es mühselig über Pflaster und Straßenbahnschienen bis zum Stadtgraben. Dort kletterte ich über das Geländer und rutsche auf dem Hintern die Böschung hinunter. Schon lief ich auf dem Eis und gelangte zu dem Häuschen, wo sich im Sommer der Bootsanlegeplatz befand. Dort war allerhand Betrieb. Der Mann in dem Häuschen schaute mich mehrfach prüfend an. Schließlich kam ich dahinter, hier war die Kasse und es wurde Eintritt verlangt. Ganz schnell stahl ich mich wieder davon.