Die Flucht

Inzwischen kommen wir auf unserer Rückreise nach Bremen wieder an Berlin vorbei, das 1945 auf unserer Fluchtroute lag. Noch einmal ging mir unsere Flucht aus Breslau durch den Kopf.

Mein Vater wurde kurz vor Schließung Breslaus zur Festung als Kriegsversehrter von der Sanitätstruppe mit dem Zug innerhalb von ein paar Stunden nach Berlin gebracht. Dort wurde er aus der Wehrmacht entlassen. Meine Mutter musste sich mit mir zusammen einen anderen Weg suchen. In Richtung Westen waren alle Züge von der Wehrmacht und Flüchtlingen überfüllt, da war kein Wegkommen. Also bestiegen wir mit Bekannten einen Zug in Richtung Süden nach Strehlen. Von dort ging es mit einem Omnibus ein Stück weiter. Dann ging es zu Fuß weiter mit immer schwerer werdenden Koffern und Taschen. Unterwegs nahmen uns in der klirrenden Kälte mitleidige Bauern auf ihrem überfüllten Pferdefuhrwerk mit.

Links und rechts der Straße lagen Ackerwagen mit zerbrochenen Rädern und mit Habseligkeiten beladen, welche die verzweifelten und zu Fuß weitereilenden Besitzer nicht mitnehmen konnten. Durch Erschöpfung gestorbene Pferde und Ochsen ergänzten das Szenario. Im Straßengraben ragten ihre starren Beine aus den gefrorenen Körpern. Wir zogen tagelang weiter bis zur Erschöpfung. Auch in der Nacht wurde weiter getreckt, nur weg vor den Russen. Schließlich landeten wir in Kottbus. Dort übernachteten wir in einer Kaserne, wo ein Soldat meinen grimmig knurrenden Magen mit fürchterlich harten und trockenen Dauerkeksen aus seiner Notration beruhigte. Trotzdem war das ein Festessen. Am nächsten Tag hatten wir Glück und ergatterten einen Zug nach Berlin. Dort trafen wir meinen Vater wieder.